Bemerkenswert

Das eigene Labor?

Als Kind und Jugendlicher habe ich mir häufig einen eigenen Chemie-Baukasten gewünscht. Erste schmerzhafte Berührungen mit einem Bunsenbrenner während des Chemie-Unterrichtes in meiner Schule haben nicht dazu geführt, dass ich die elterliche Erlaubnis bekam, eigene Experimente zu Hause durchzuführen. Es dauerte dann noch einige Jahre bis zum meinem Chemiestudium an der Universität zu Köln. Dann konnte ich selber chemische Experimente durchführen. In meiner Jugend hätte ich es toll gefunden, einen eigenen Platz zum Experimentieren zu haben. Was damals nicht ging, möchte ich heute anderen Kindern und Jugendlichen ermöglichen.

Wo können Kinder und Jugendliche selber experimentieren? Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen, teils kostenfreien, teils kommerziellen Angeboten. Dazu gehören die Aktivitäten, die ich als IchMachChemie anbiete.

Einer meiner ersten Chemie-Geburtstage.

Aber natürlich gibt es viel mehr Angebote, die auch schon wesentlich länger dabei sind. Ganz weit oben sehe ich die vielen Schülerforschungszentren in Deutschland. Es gibt aktuell mehr als 100 dieser Zentren, entstanden aus einer Initiative der Joachim Hertz Stiftung und Jugend forscht. Mehr Infos erhaltet ihr direkt bei dem Netzwerk Schülerforschungszentren.

Übersicht der Schülerforschungszentren in Deutschland

Auch viele Universitäten bieten Angebote für Jugendliche an, so zum Beispiel die Universität zu Köln mit ihrem Programm Kölner JugendUni. Dort werden regelmäßig Kurse im MINT-Bereich angeboten, z.B. Biologie, Chemie, Physik und Verschlüsselung, aber auch Kurse im Bereich Recht und Finanzen. Anschaulich und an praktischen Fragestellungen orientiert. Sehr zu empfehlen. Schaut dazu mal in dieses Video der Uni Köln an:

Auch in Wuppertal und in vielen anderen Städten gibt es solche Junior-Unis.

Ein weiteres, großes Netzwerk für Angebote im MINT-Bereich ist die Inititive „Zukunft durch Innovation“ (zdi) in NRW. Dort könnt ihr „alle Informationen und Aktionsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche aus NRW, die Lust auf MINT, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik haben“, finden. Das Netzwerk bietet nicht nur Angebote zum Mitmachen für Kinder und Jugendliche, sondern möchte alle Akteure (Behörden, Schulen, Industrie, außerschulische Lernorte) miteinander verknüpfen. Meine Partnerschaft mit dem Leverkusener Ableger cLEVer ist Teil davon.

Nach Ostern wird das erste Chemie-Labor, das ich konzipiert habe, in Solingen eingeweiht: Check! Dieses ist Teil der Aktivitäten der Wirtschaftsförderung Solingen. Ab 26. April startet ein 10-stündiger Chemie-Kurs, jeweils Freitags nachmittags für Kinder der 3. bis 6. Klasse.

Mir geht es in diesem Kurs darum, dass die Kinder mit viel Spaß und Motivation eigene Experimente durchführen können, dabei die Grundzüge der Arbeit in einem Labor verinnerlichen und auch einiges über Chemie und den Nutzen für die Gesellschaft lernen. Und natürlich ist es auch für mich sehr spannend und lehrreich, so ein Projekt zu gestalten und durchzuführen. Und wer weiß. Vielleicht bringt mich das meinem eigenen Traum etwas näher: Mein eigenes Labor!

Bemerkenswert

Wunderkerzen – Chemie, die Augen zum Glitzern bringt

Ihr kennt diesen Moment, oder? Wenn sich die erste Schicht des grauen Stabes an der Kerzenflamme rötlich auflöst, dann in ein weißhelles Britzeln übergeht um dann endlich aus eigener Kraft weiter zu brennen und Funken zu versprühen. Besonders das Knistern und der typische Geruch, lösen bei mir festliche Stimmung aus. Freude und auch ein Gedanke an die Chemie kommen in mir hoch.

Die Geschichte einer grauen Masse

Über den Ursprung der Wunderkerze ist wenig bekannt. Laut Wikipedia kann die Erfindung auf des Griechen Kallinikos von Heliopolis (ca. 670 n. Chr.) zurückgeführt werden. Dieser soll auch der Erfinder des griechischen Feuers sein, das als Kriegswaffe auf See eingesetzt wurde. Dass als Nebenprodukt der damaligen Rüstungsindustrie in Byzanz, dem heutigen Istanbul, auch kleine Wunderkerzen hergestellt wurden, erscheint mir zumindest plausibel, auch wenn ich keine Quellenangaben dazu finden konnte.

Griechisches Feuer im Einsatz (Darstellung aus dem 12. Jahrhundert), Quelle Wikipedia

Sicherlich haben die Wunderkerzen damals anders ausgesehen und auch aus anderen Materialien bestanden als heutzutage moderne Wunderkerzen. Und das liegt an den Zutaten selbst. Dazu benötigen wir jedoch einen Blick in die Chemie der Wunderkerze.

Die Chemie der Wunderkerze

Moderne Wunderkerzen bestehen aus vier unterschiedlichen Komponenten: Aluminiumpulver, Bariumnitrat, Eisenpulver, Stärke. Die Stärke war sicherlich schon im byzantinischen Reich bekannt, auch das Eisen steht schon seit ca. 4.000 – 5.000 Jahren in reiner Form zur Verfügung. Wenn euch die Herstellung von rohen Metallen aus Mineralien interessiert, schaut mal in meinen alten Blog-Beitrag über Minecraft:

https://ichmachchemie.com/2022/07/05/minecraft-und-chemie-teil-1/.

Die Geschichte des Bariumnitrates ist wesentlich jünger und begann sicher erst durch die Arbeiten des italienischen Schumachers und Alchemisten Vincenzo Casciarolo. Die Byzantiner hatte sicherlich noch keine Wunderkerzen mit Bariumnitrat, sondern wahrscheinlicher mit Salpeter. Unter Salpeter werden unterschiedliche Nitrate gefasst, die je nach Herstellung oder Abbauort aus Chilesalpeter (Natriumnitrat), Begalensalpeter/Kalisalpeter (Kaliumnitrat) oder Kalksalpeter/Mauersalpeter (Calciumnitrat) bestand. Salpeter wurde unter anderem aus Guano und anderen Exkrementen von Vögeln und Tieren hergestellt und hat eine lange Historie als Einsatz in Schwarzpulver und in Düngemitteln.

Auch das Aluminiumpulver, in dem Aluminium als gediegenes, reines Metall vorliegt, ist nicht sehr alt. Verbindungen des Aluminiums wie z.B. Alumen (eine Verbindung aus Aluminium und Schwefel) wurden schon von Plinius dem Älteren (23-79 n. Chr.) beschrieben. Die Herstellung des reinen Metalles aus den Salzen gelang erst Sir Humphry Davy im Jahr 1809, bzw. Hans Christian Oersted im Jahr 1925.

Wunderkerzenbasteln in der Lernpraxis Burscheid, Photo: Pia Rodermond/Mondblende

Historische Wunderkerzen wie die des Kallinikos von Heliopolis bestanden also teilweise aus anderen Bausteinen als moderne Wunderkerzen. Doch waren sie sicher ebenso schön, faszinierend und gefährlich für die Menschen, wie sie es heute für mich sind. Denn das chemische Grundprinzip ist das Gleiche: Das Nitrat liefert Sauerstoff zur Verbrennung des Aluminiums und des Eisens.

Das ist eine sogenannte Redox-Reaktion, bei der ein Stoff (Aluminium oder Eisen) oxidiert wird, d.h. Sauerstoff aufnimmt und der andere Stoff (das Nitrat) den Sauerstoff zur Reaktion liefert. Diese chemische Reaktion wird so heiß, dass nicht verbranntes Eisenpulver zu glühen beginnt und ein Funkenflug entsteht. Auch sorgt die entstehende Hitze dafür, dass die Reaktion solange von alleine abläuft, bis die Masse der Wunderkerze aufgebraucht ist.

Die Herstellung der Wunderkerzen und Gesetzliches

Wunderkerzen und andere Feuerwerkskörper wie z.B. Knallerbsen, Knallbonbons, Tischfeuerwerk oder Party Knaller fallen unter die Kategorie I / Klasse I der EG-Pyro-technik Richtlinie 2007/23/EG, bzw. Kategorie F1 nach dem deutschen Sprengstoff-Gesetz. Die Klasse 1 oder auch Kleinstfeuerwerk bzw. Jugendfeuerwerk (früher Kinderfeuerwerk) darf von jeder Person, die älter als 12 Jahre ist, erworben und das ganze Jahr über verwendet werden.  Die Herstellung von Wunderkerzen kann mit etwas Geschick und unter Anleitung einer erwachsenen Person auch zu Hause erfolgen. Dies habe ich selbst schon mit meinen Kinder und in meinem Kurs in der Lernpraxis Burscheid vor einigen Tagen durchgeführt.

Basteln von Wunderkerzen in Küche.

Dabei habe ich mich an die Anleitung von Peter Wich (https://experimentalchemie.de/versuch-029.htm) gehalten, der auf seiner Homepage viele tolle Experimente für Schule, Uni und zu Showzwecken zusammengestellt hat. Statt Bariumnitrat habe ich Kaliumnitrat aus dem Lebensmittelgroßhandel verwendet. Wichtig war ein langes Trocknen und ein nicht zu dickes Auftragen der Wunderkerzen-Masse.

Bedeutung der Wunderkerze und des Feuerwerks

Feuerwerk wird kontrovers diskutiert.

Es gibt viel Begeisterung für dieses von Menschen gemachte Himmelsspektakel, nicht nur bei denjenigen, die jährlich vor den Geschäften Schlange stehen, um noch die letzten Boxen und Pakete zu erhaschen. Auch dem Philosophen Theodor Adorno wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht.“ Letzteres ist nicht als Zitat gesichert, doch gibt es Verweise auf das Feuerwerk in seiner Schrift „Ästhetische Theorie“ (https://www.theomag.de/02/pb1.htm).

Es gibt viel Kritik an Feuerwerk. Insbesondere Tierbesitzer und Naturschützer kritisieren Feuerwerk als eine schädliche Lärm- und Feinstaubemission, die es durch Reduzierung, freiwilliges Nichtverwenden oder Verbote teilweise oder ganz zu vermeiden gilt. Auch erscheint es Menschen als zynisch, in Zeiten vieler bewaffneter Kriege weltweit auch noch freiwillig die Produkte zu verwenden und zu bewundern, die historisch als Nebenprodukt der Kriegsindustrie angefallen sind.

Klassisches Feuerwerk, Quelle pixabay

Wie bei vielen gesellschaftlichen Fragen halte ich es für sinnvoll, sich vielseitig zu informieren und sich erst mal Zahlen, Daten und Fakten anzueignen. Das Umweltbundesamt publiziert regelmäßig zum Thema Feinstaub und Feuerwerk (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/2050-tonnen-feinstaub-durch-feuerwerk-pro-jahr), der Branchenverband VPI (Verband der pyrotechnischen Industrie) hat zwei Broschüren zu „Fakten statt Fiktion: Informationen zum Feuerwerk“ herausgegeben (https://www.feuerwerk-vpi.de/).

Mir war der chemische Blick auf das Feuerwerk und die Wunderkerzen besonders wichtig. In der Wunderkerze wird die Kraft einer chemischen Reaktion deutlich. Ich erkenne die Stoffumwandlung, mir wird die Umwandlung von Energien bewusst. Und mir wird wieder klar, wie sehr ein chemisches Produkt Ergebnis einer langen Entwicklung ist, sowohl im Hinblick auf die Historie der industriellen Entwicklung als auch die Entwicklung in der wissenschaftlichen Erkenntnistheorie. Heute wissen wir, wie und warum Dinge in der Natur und im Reaktionsglas passieren. Und das stimmt mich beim Britzeln einer Wunderkerze doch sehr optimistisch für das Neue Jahr.

Leuchtende Augen bei meinem Chemie-Edutainment, Photo: Pia Rodermond / Mondblende

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen guten Übergang und viel Freude an der Chemie im Jahr 2024.

Mit glitzernden Grüßen,

Hendrik Fischer

Bemerkenswert

Chemie in Schule oder außerhalb?

Wo führe ich eigentlich mein Chemie-Edutainment durch? In der Schule oder auch außerhalb? Ein kleiner Exkurs in meine vergangenen und geplanten Aktivitäten…

Wo führe ich eigentlich mein Chemie-Edutainment durch? In der Schule oder auch außerhalb? Ein kleiner Exkurs in meine vergangenen und geplanten Aktivitäten…

Chemie in der Schule

Viele meiner Aktivitäten führe ich im Auftrag von Schulen durch. In den letzten zwei Jahren waren dies besonders häufig Projekttage in dem Offen Ganztag von Grundschulen in der Umgebung oder bei der MINT-Aktivierung in den Schulferien. Die Abkürzung MINT steht für  Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Da passt Chemie genau hinein.

Für die Schüler ist es ein besonderes Erlebnis, Experimente selber durchzuführen. Leider passiert das in den Schulen immer weniger, was zum einen an den immer vielfältigeren Aufgaben liegt, die eine Lehrperson neben dem eigentlichen Unterricht durchführen muss, und zum anderen wird mir von immer mehr Auflagen und Ängsten im Umgang mit Chemikalien selbst im Chemie-Unterricht berichtet, so dass dann eher ein Chemie-Film geschaut wird, anstatt die Experimente selbst durchzuführen.

MINTaktiv-Programm des Bildungsbüro Leverkusen. Photo Pia Rodermon

Im August habe ich sogar etwas Besonderes vor. Dann bin ich als Dozent des zdi Netzwerk cLEVer in Leverkusen tätig und unterstütze das Berufsorientierungsprojekt an der katholischen Hauptschule. Eine spannende Kooperation des Bildungsbüro Leverkusen und der Agentur für Arbeit in Leverkusen. Ziel ist, Begeisterung für das Fach Chemie zu wecken, einige Grundlagen zu vermitteln und auch etwas über die chemische Industrie und deren Ausbildungsmöglichkeiten zu erklären. Eine tolle Möglichkeit für mich, etwas für das Thema zu machen!

Chemie außerhalb der Schule

Nicht nur in der Schule entdecke ich immer wieder Möglichkeiten, andere Menschen an die Chemie heranzuführen:

Gerne erinnere ich mich an das Programm „Kunst und Chemie“, das ich zusammen mit der Witzheldener Künstlerin Lilo Krüger in 2022 durchgeführt habe.

Ein Highlight war auch meine Kooperation mit der Lernpraxis Burscheid von Antonia Quirl. An einem sehr warmen Sonntag-Nachmittag führte ich mit 14 Kindern von 6 bis 13 Jahren Experimente durch. Nach drei Stunden waren alle durchgeschwitzt und müde, aber auch happy. O-Ton einer acht-jährigen Teilnehmerin: “Das war toll, wir konnten ganz viel machen und ich habe auch etwas gelernt.“

„Explosion der Farben“ Eine Kooperation mit der Lernpraxis Burscheid. Photo Pia Rodermond

Und vergangene Woche war ich eingeladen, beim Ferienspass Solingen mitzuwirken. Die katholische Jugendagentur Wuppertal hat ein dickes Programmheft für Kinder und Jugendliche aus Solingen und Umgebung entwickelt. Neben Waldexkursion, Zoobesuch, Film- und Photoworkshops gab es an einem Tag zwei Chemie-Angebote. Die Resonanz war sehr gut, interessanterweise auch von der Betreuungsperson, die sicherlich jetzt einen anderen Blick auf die Chemie hat.

Fazit

Chemie-Edutainment kann also sowohl in der Schule, als auch außerhalb passieren. Die Neugierde und Begeisterung für das Selber-Experimentieren der Beteiligten war stets gleich hoch.

In den nächsten 1,5 Monaten werde ich nicht mehr so aktiv sein, denn mein Jahresurlaub steht auch an. Dort werde ich mich durch die Umgebung und ein paar Bücher inspirieren lassen. Und vielleicht kann ich danach das ein oder andere neue Konzept vorstellen. Ein besonderer Dank an dieser Stelle an Pia Rodermond, die schon seit einiger Zeit so tolle Photos für mich macht – unten gibt es einen Link für Interessierte. 

Ich wünsche euch ebenso eine spannende und erholsame Ferienzeit, mit Chemie oder ohne – aber ganz ohne Chemie kann mensch ja gar nicht sein.

Erfrischend mit PVC und Chlor. Bild Pia Rodermond

Mit sonnigen Grüßen,

Hendrik Fischer

Link zur Photographin Pia Rodermond: http://www.mondblende.de

Bemerkenswert

Gedanken aus dem Foodsaving

Mindesthaltbarkeit und Grenzwerte – nach einem Foodsaving-Erlebnis habe ich einige Gedanken dazu…

Vor einigen Tagen konnte ich wieder Lebensmittel retten. In dem kleinen Dorf, in dem ich lebe, organisiert eine engagierte Gruppe von Menschen die Verteilung von Lebensmitteln, die ansonsten vom Handel in den Abfall gebracht würden. Die Geschäfte sind Partner und stellen die Lebensmittel zur Verfügung. Ich finde das eine tolle Sache und freue mich, wenn ich dadurch zur Vermeidung vom Abfall beitrage und dazu noch gute und leckere Lebensmittel bekomme. Ok, bei einigen Lebensmitteln ist ab und zu das Mindesthaltbarkeitsdatum sehr nah oder  auch schon überschritten. Aber damit kann ich umgehen. Es bringt mich sogar zu einer These, die ich in diesem Beitrag mit euch teile.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum auf einem Tetrapack Milch.

Sind toxikologische Grenzwerte das gleiche wie Mindesthaltbarkeitsdaten auf Lebensmitteln? These: Es gibt eine Parallele, denn beide beschreiben eine Zeitpunkt oder eine Konzentration, also ein technischer Parameter, bis zu dessen Überschreitung kein oder nur ein sehr geringes Risiko besteht. Etwas genauer:

Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist nach der Verbraucherzentrale der „Zeitpunkt (…), bis zu dem der Hersteller garantiert, dass das ungeöffnete Lebensmittel bei durchgehend richtiger Lagerung seine spezifischen Eigenschaften, wie Geruch, Geschmack und Nährwert behält. (…) Hinzu kommt, dass manche Hersteller das MHD frühzeitig festlegen, um auf Nummer Sicher zu gehen.“ (1) In dem Kontext gibt es noch das Verbrauchsdatum, das den letzten Tag beschreibt, an dem das Lebensmittel noch verkauft und verzehrt werden darf.

Der (toxikologische) Grenzwert beschreibt eine Konzentration von Stoffen in Produkten, bis zu dieser kein Schadenseffekt beim Menschen beobachtet wird. Produkte können Lebensmittel oder andere Produkte des Alltages sein, wie zum Beispiel Waschmittel, Malkreide oder Plantschbecken. Diese Grenzwerte basieren auf zwei Dingen: 1. Toxikologischen Studien, die ermitteln, bis zur welcher Konzentration kein Effekt auftritt und ab welcher niedrigsten Dosis noch ein Effekt beobachtet wird und 2. Sicherheitsfaktoren von 100 oder 1000, um das Risiko für den Menschen noch mehr zu verringern.

 NOAEL = No Observed Adverse Effect Level / Dosis ohne beobachtete schädliche Wirkung,
LOAEL = Lowest Observed Adverse Effect Level / niedrigste Dosis mit beobachteter schädlicher Wirkung,
DNEL = derived no-effect level / abgeleitete Expositionshöhe, unterhalb derer der Stoff zu keiner Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führt,
LD50 = Lethal Dose, Konzentration bei der 50% der Versuchstiere sterben.
Bildquelle: (2)

Das Risiko ergibt sich aus der Gefährlichkeit eines Stoffes und der Möglichkeit, diesem Stoff ausgesetzt zu sein. Risiko = Gefahr x Exposition. Gute Info dazu bietet auch die Seite des Bundesamt für Risikobewertung BfR. (3)

Und warum sind diese beiden Regelungen vergleichbar?

Wegen dem Effekt auf die Gesellschaft.

Bei Lebensmittel, zum Beispiel Milch, schließt der Hersteller nicht aus, dass vor Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums irgendwelche Keime in der Milch drin sein können. Nach besten Wissensstand kann vor Erreichen des MHD trotzdem davon ausgegangen werden, dass es keine Beeinträchtigung des Lebensmittels oder der Gesundheit des Menschen gibt. Auch bei der Diskussion über Grenzwerte kann man sicherlich nicht ausschließen, dass gefährliche Stoffe enthalten sind. Aber es ist nicht von gefährlichen Effekte auszugehen, bevor man den Grenzwert erreicht hat.

Wie sieht es bei Überschreitung der Parameter aus? Nicht jede Überschreitung eines (toxikologischen) Grenzwertes führt dazu, dass sofort Effekte zu sehen sind. Man hat einen Puffer bei der Risikobewertung eingebaut und die Effekte betreffen nicht immer jeden Menschen, sondern die Wahrscheinlichkeit steigt nur, dass jemand betroffen sein kann. Trotzdem ist es natürlich Ziel jedes Menschen oder jeder Firma, der Umgang mit Chemikalien hat, eine Grenzwertüberschreitung zu verhindern. Und zu diesem Zweck gibt es sehr viele Regelungen und Überprüfungen in diesem Bereich.

Im Vergleich dazu ist es auch so, dass bei Überschreitung des MHDs nicht so ist, dass ein Lebensmittel direkt schlecht ist. In den allermeisten Fällen hat man überhaupt keinen Effekt, bzw. die Menge an Keimen ist nicht direkt so hoch, dass man krank davon werden würde.

Vergleichbar ist auch der Effekt den toxikologische Grenzwerte und das MHD in der öffentlichen Wahrnehmung spielen. So wirkt ein MHD psychologisch wie eine Grenze, die man nicht überschreiten sollte. Und auch toxikologische Grenzwerte wirken wie eine Grenze, die man auf keinen Fall überschreiten darf. Und viele Menschen haben ein ungutes Gefühl, in einer Umwelt zu leben, in der Grenzwerte überschritten werden oder auch Lebensmittel zu essen, deren MHD überschritten ist. Der psychologische Effekt, bzw der Effekt auf den Kunden oder Benutzer eines Produktes empfinde ich als sehr vergleichbar.

Was bedeutet das für mich?

Mir bedeutet das MHD etwas. Und mir bedeuten auch toxikologische Grenzwerte etwas. Da schaue ich genauer hin. Und überlege mir, wie ich damit umgehen kann. In manchen Fällen kann ich gut damit umgehen, weil ich das Wissen dazu habe. Ich habe Erfahrung im Verzehr von Milchprodukten und durch meine berufliche Tätigkeit habe ich auch Erfahrung mit toxikologischen Grenzwerten von bestimmten Substanzen, in meinem Fall sind es die Weichmacher. Wenn ich etwas nicht selbst bewerten kann, bin ich vorsichtig.

Ich bin entspannter geworden. An den abgelaufenen Lebensmitteln rieche ich, schaue sie mir an und probiere sie auch. Gehe also recht selbstbewusst und nicht ängstlich an die Sache. Bei Grenzwerten schaue ich immer häufiger darauf, was die Grenzwerte wirklich bedeuten, ob sie relevant für mich sind. Auch da hat sich meine Angst vor Chemie in Produkten stark abgebaut, weil ich mich mit den Regularien und Hintergründen beschäftigt habe und nicht immer nur die Überschriften lese.

Chemie-Edutainment Ostern 2023 in einer Grundschule in Leverkusen. Bild: Pia Leandra Rodermond

Was denkt ihr darüber?

Wie wirken sich MHD auf euren Konsum von Lebensmitteln aus und wie groß ist eure Sorge, wenn ihr erfahrt, dass in einem bestimmten Produkt eures Alltags gewisse Grenzwerte kurzzeitig überschritten werden? Schreibt mir eure Gedanken – ich bin gespannt.

Mit hoffentlich effektvollen Grüßen,

Hendrik Fischer

P.S. Die eigentliche Ursache meines Blogbeitrages soll nicht untergehen: Lebensmittelrettung! Wer Lust hat, sich mit unkonventioneller und nachhaltiger Lebensmittelrettung zu beschäftigen, kann gerne im Internet nach #Foodsharing oder #Foodsaving suchen. Es gibt einige lokale und auch überregionale Organisationen, die Informationen zur Verfügung stellen und das Retten von Lebensmitteln organisieren. Bestimmt auch in eurer Nähe.

(1)https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/auswaehlen-zubereiten-aufbewahren/mindesthaltbarkeitsdatum-mhd-ist-nicht-gleich-verbrauchsdatum-13452 (30.04.2023)

(2)https://www.chemsafetypro.com/Topics/CRA/How_to_Derive_Derived_No-Effect_Level_%28DNEL%29.html (30.04.2023)

(3)https://www.bfr.bund.de/de/toxikologische_studien_und_grenzwerte-53044.html (30.04.2023)

Bemerkenswert

2023 – Dein Jahr für Chemie-Edutainment

Sie planen für Ihre Schule einen Projekttag oder ein besonderes Betreuungsangebot in der OGS während der Ferien? Chemie-Edutainement von IchMachChemie bietet sich an…

In 2022 hatte ich das Vergnügen, an vielen Schulen und im privaten Rahmen Chemie-Edutainment im Umkreis von Leichlingen durchzuführen. Das soll in diesem Jahr 2023 weiter und gerne noch häufiger stattfinden.

Begabtenförderung für den Rheinisch Bergischen Kreis in der Grundschule Witzhelden. Bild Pia Leandra Rodermond http://www.mondblende.de

Das Thema MINT-Förderung (MINT = Mathe, Informatik, Naturwissenschaft & Technik) ist ein sehr wichtiges Thema und gut verpackt haben Schüler*Innen und Schüler immer eine Menge Spaß und einen nachhaltigen Lerneffekt.

Ich komme gerne mit meinen Materialien, ausgewählten Chemikalien, einem Entsorgungskonzept und ganz viel Freude für einen Projekttag in eine Schulklasse oder in den Ferien in den Offenen Ganztag. Schon beim Aufbau schauen die Schüler*Innen und Schüler (und auch so manche Lehrer*Innen und Erzieher*Innen) ganz interessiert zu, lernen die Geräte kennen, lesen die Beschriftungen auf den Chemikalienbehältnissen. Nach der Frühstückspause geht es dann los. Experimente mit Säuren & Basen, Farbreaktionen und auch ein paar Explosionen und die Lavalampe werden begleitet durch Erzählungen über die Grundlagen der Chemie. In einfacher Sprache aber auch mit ausgewählten Fachbegriffen, um die Schüler*Innen und Schüler leicht in die Thematik einzuführen.

So könnte der Ablauf an eurer Schule aussehen. Bild Pia Leandra Rodermond, http://www.mondblende.de

Am Anfang bin ich immer etwas aufgeregt. Meine Frage, was denn Chemie sei, wird häufig mit Begriffen wie Gift, Gefährlich, Explosion beantwortet. An so einem Edutainment-Tag erfahren die Teilnehmer*Innen jedoch, wo überall Chemie drin ist, was Chemie eigentlich ist und wie sie kontrolliert werden kann. Nach so einer Experimente-Session mit vielen leuchtenden Kinder- und Erwachsenenaugen melden sich dann nicht wenige und wollen später Chemie studieren. Das geht dann natürlich runter wie Öl.

eine selbstgebaute, chemische Lavalampe. Bild: Pia Leandra Rodermond, http://www.mondblende.de

Sprechen Sie mich in den nächsten Wochen an, wenn Sie für ihre Schule einen Projekttag im MINT-Kontext planen. Es sind noch einige Tage in den Oster-, Sommer- und Herbstferien möglich.

Ihr Hendrik Fischer

GoKart – Gedanken zur Chemie des Verbrenners

Als ich gestern mit meinen Kindern auf einer GoKart – Bahn war, das Knattern des kleinen Motors hörte und die Beschleunigung hör- und spürbar wurde, kamen mir Gedanken über die Chemie, die ich gerade erfahre.

Aufstellung zum Go-Kart Rennen vor fast schon herbstlicher Eifel-Kulisse

Der Verbrennungsmotor ist fester Bestandteil unseres Alltag. Weil sehr viele ihn täglich im Auto nutzen, weil die Infrastrukturen stark auf das Auto und den Transport auf der Straße ausgerichtet sind, und weil die Transformation der Mobilität stark in gesellschaftlicher und politischer Diskussion ist. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in Zeitungen und auf Social Media Positionen zum Verbrennungsmotor vertreten werden. Menschen haben eine Beziehung zum Auto, die einen eher eine positiv, die anderen eine negative. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass Menschen einen Beziehung zum Verbrenner haben, bringt es uns doch nah an ganz grundlegende Erfahrungen der Natur: Die Verbrennung und das Feuer.

Chemisch betrachtet passiert bei einem Lagerfeuer, einer Gasheizung und auch im Motor eines Autos sehr ähnliche Dinge: Kohlenstoffhaltige Verbindungen reagieren mit Sauerstoff unter starker Freisetzung von Energie und Kohlendioxid.

Bei einem Lagerfeuer, beim dort verwendeten Brennstoff Holz ist die Cellulose die kohlenstoffhaltige Verbindung. Cellulose ist ein natürlich vorkommendes Polymer aus zuckerartigen Bausteinen und wird aus diesem Grund aus Polysaccharid genannt. Cellulose ist Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden. Beim Pflanzenwachstum werden durch den Prozess der Photosynthese aus Kohlendioxid, Wasser und Sonnenenergie Zuckermoleküle und letztendlich auch Cellulose aufgebaut. Bei der Verbrennung wird dieser Prozess wieder umgekehrt, aus Zellulose entstehen Kohlendioxid und Wasser, Energie wird wieder freigesetzt in Form von Wärme und Licht.

Lagerfeuer in der Nacht zum 1. Mai 2022 auf Burg Satzvey

In einer Gasheizung wird üblicherweise Erdgas oder Biogas verbrannt. Chemisch ist das Methanmolekül des Erdgases und des Biogases identisch und besteht aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen.

Chemische Reaktionsgleichung der Verbrennung von Methan

Erdgas wird durch Förderung aus großen, internationalen Lagerstätten bereitgestellt, Biogas durch biochemische Prozesse, konkret wird Biomasse in der Regel lokal aus Abfällen oder auch aus nachwachsenden Rohstoffen vergoren. Technisch gleich ist der Unterschied der Gase also nur im Ursprung zu finden, es wird zwischen fossilen und nachwachsenden Rohstoffen unterschieden.

Im Verbrennungsmotor eines Autos, zum Beispiel eines VW Up mit Benzinmotor, wird zum Beispiel Super 95 verbrannt, eine bestimmte Kraftstoffqualität. So ein Kraftstoff ist ein komplexes Gemisch aus über 100 verschiedenen, überwiegend leichten Kohlenwasserstoff Verbindungen. Darüber hinaus werden diesem Gemisch zusätzlich Alkohole, wie Ethanol und Ether, wie MTBE hinzugefügt, um die Verbrennungsqualität zu verbessern und den Anteil von biobasierten Komponenten zu erhöhen. Letzteres ist gesetzlich gefordert, um die nationalen wie auch europäischen CO2-Einsparungsziele zu erfüllen. Chemisch passiert wieder ähnliches: Kohlenstoffhaltige Verbindungen werden mit Sauerstoff unter Bildung von Kohlendioxid und Wasser sowie Freisetzung von Energie zur Reaktion gebracht. Im Fall des Verbrennungsmotors wird die chemische Energie in Wärme- und Bewegungsenergie umgewandelt.

Mein „Blitz“ bei der Abholung im VW Werk Wolfsburg im Jahr 2015

Die Freisetzung von Kohlendioxid aus fossilen Quellen führt in dem industriellen Maßstab, den wir seit vielen Jahrzehnten gewohnt sind, zu massiven ökologischen Schäden. Und durch den Einfluss des Klimawandels auf unser Leben auch zu ökonomischen Problemen, deren Ausmaß uns immer mehr am eigenen Leib spürbar wird.

Als Chemiker bin immer wieder begeistert, wie die Dinge des Alltages durch die Chemie miteinander verbunden sind. Die Kraft und das Licht des Lagerfeuers, die Wärme der Gasheizung, die Freiheit durch individuelle Mobilität im Auto. Und doch muss aus dieser Ästhetik nicht unbedingt ein Weiter – So sondern kann eine Änderung entstehen, wenn die etwas aus der Balance gerät.  

Verbrennung im Labor, Bild von Pia Leandra Rodermond

Überwindung des Verbrenners oder Weiterentwicklung der Mobilität? Technisch sind Lösungen da, sowohl im Bereich der Elektromobilität in der privaten PKW Nutzung, durch biobasierte Rohstoffe in der Heizung oder den Einsatz von eFuels für den internationalen Verkehr und Warentransport durch Flugzeuge und Schiffe. Die nächsten Jahrzehnte werden davon geprägt sein, wie viel chemische Innovation und Begeisterung für Naturwissenschaften bei uns allen vorhanden ist, um die Mobilitätstransformation auch im individuellen Alltag zu gestalten. Ob aus der Ästhetik der Verbrennung vielleicht sogar eine Ästhetik der Elektrizität entstehen wird?

Mit blitzenden Grüße,

Hendrik Fischer

Gold

Gold in Salzsäure, Bild: Pia Rodermond

Heute gab es einen magischen Moment in meinem Chemiker Leben. Ich führte Schüler*Innen einer Grundschule die Wirkung von Salzsäure vor. Salzsäure, eine klassische Mineralsäure mit der Formel HCl, ist korrosiv gegenüber Metallen. Magnesium und Eisen lösen sich unter Bildung von Wasserstoff und Hitzeentwicklung relativ schnell auf, edlere Metalle wie Gold lösen sich nicht auf.

Ich löste vor den Augen der Schüler*Innen ein Stück Magnesiumband auf, was wiederum eine lebhafte Diskussion unter den Schüler*Innen auslöste, was sich alles sonst noch oder gerade nicht in Salzsäure auflöst. Als ich meinte, Gold löse sich nicht auf, und auf meinen Ring an meiner rechten Handzeigte, wusste ich, was auf mich zu kommen würde: Ein Moment, in dem ich meinem Wissen über Chemie zu 100% vertraute. Und das fühlte sich sehr gut an. Ich zog meinen Ring aus und lies ihn in das Becherglas mit der heißen Salzsäure fallen. Und es passierte – …!

Goldring in heißer Salzsäure. Bild: Pia Rodermond

Kleiner Einschub: Gold kam nach heutiger Theorie vor Milliarden Jahren als Ergebnis eines Supernova-Kernkollapses auf die sich bildende Erde und ist schon seit mehr als 6.000 Jahren der Menschheit bekannt. Es wird zum überwiegenden Teil als Geldanlage und als Schmuck verwendet, nur knapp 8 % des Goldes wird in der Industrie eingesetzt, und dort besonders in den Bereichen Elektronik, Optik und Medizin. Gold ist neben ein paar anderen Metallen ein sogenanntes Edelmetall. D.h. es ist besonders beständig gegenüber anderen Chemikalien.

Goldbarren als Kapitalanlage. Bild: bilder.4ever.eu

Neben Gold gelten auch Silber, Platin und Palladium als Edelmetalle. Die chemische Stabilität von Gold und den im Periodensystem benachbarten Edelmetallen ist in der besonderen Elektronenkonfiguration begründet. Jedes Atom besteht einer spezifischen Anordnung von Protonen, Neutronen und Elektronen. Die Elektronen des Goldes befinden sich vorzugsweise in recht geringen Abständen zu dem Atomkern und tragen somit nicht zur Reaktionsaktivität des Goldes bei. Auch treten bei Gold und anderen schweren Edelmetallen relativistische Effekte auf, da die Elektronen sich im Gegensatz zu den Elektronen von unedlen Metallen eine Geschwindigkeit haben, die der Lichtgeschwindigkeit nahe kommt.

Vielleicht tragt ihr auch Schmuck aus diesen Edelmetallen, oder Mischungen aus diesen Edelmetallen, die auch Legierungen genannte wird. Der Ring, den ich in die heiße Salzsäure legte, besteht aus 75% Gold und ca. 25% Silber. Und er löste sich nicht auf. Es überraschte mich nicht wirklich, ich war mir ziemlich sicher. Die Schüler*Innen hielten trotzdem den Atem an, einige waren sogar etwas erschrocken, hatte ich ihnen doch zuvor gezeigt, wie sich ein Stück Magnesium und ein alter Nagel in der Säure auflöste.

Warum war dieser Moment magisch für mich? Weil ich der Wissenschaft vertraute und nicht enttäuscht wurde. Weil ich die Stimmung bei den Schüler*Innen mitbekam, die von Aufregung und Begreifen geprägt war. Und weil dieses kleine Experiment mit einem Ring aus Gold durchgeführt habe. Der Begriff Gold wird vielfach euphemistisch eingesetzt. Das schwarze Gold (Öl), das flüssige Gold (Honig), der goldene Oktober. Auch im zwischenmenschlichen spielt Gold eine Rolle, steht es doch für Langlebigkeit und Wertigkeit einer Beziehung. Gold und Goldringe haben auch eine mystische und literarische Bedeutung, ich muss direkt an den Ring der Nibelungen oder den „Einen Ring“ aus Tolkiens Mittelerde denken. Und weil Gold emotional so aufgeladen ist, war es ein besonderer und magischer Moment, als ich dieses Experiment mit meinem Goldring durchführte und mich die Wissenschaft nicht enttäuschte.

Vertraut der Wissenschaft!

Mit goldigen Grüßen,

Hendrik Fischer

Minecraft und Chemie – Teil 1

Minecraft ist eines der erfolgreichsten Videospiele der letzten Dekade. In diesem Spiel geht es um Phantasie, Kreativität und  manchmal auch um das Überleben. Das Spiel hat kein vorgegebenes Ziel. Die Spieler*Innen laufen durch die vorgegebene Welt, erkunden tiefe Höhlen, suchen nach wertvollen Bausteinen und Artefakten oder kreieren eigene Gebäude und sogar ganze Welten. Die Welt ist sehr grobpixelig und besteht im Wesentlichen aus kubischen Blöcken. Ein Block Erde, ein Block Wasser, ein Block Stein, ein Block Baum etc… daraus baut sich die ganze Welt auf. Feiner sind bestimmte Handwerkszeuge oder Lebewesen, die von den Spieler*Innen benutzt werden können. Ich habe aus Sicht eines Minecraft Fans die Welt bestimmt nicht gut genug beschrieben, doch lest ruhig weiter.

Ein Bick in die Minecraftwelt / Screenshot

Es soll im Weiteren um die Chemie und die Elemente bei Minecraft gehen: Innerhalb des Spiels existieren 19 verschiedene Blöcke der normalen Oberwelt, die vom Entwickler von Minecraft „Erze“ genannt werden. Aus Sicht eines Chemikers sind Erze bestimmte Gesteinsformen, die Elemente entweder gebunden oder gediegen (gediegen = liegt als Metall selbst vor) enthalten und als Rohstoff für die verarbeitende Industrie abgebaut werden. In Minecraft wird der Begriff sehr frei verwendet, nicht alle „Erze“ in Minecraft sind auch chemisch betrachtet Erze. In Minecraft gibt es  Steinkohle, Eisenerz, Golderz, Kupfererz, Lapislazulierz, Redstone-Erz, Diamanterz und Smaragderz.

Die Minecfrafterze, Quelle: minecraft.fandom.com

Wird hier die Welt der Mineralien und Erze realistisch dargestellt? Nicht ganz, aber das ist sicher auch nicht der Anspruch eines phantastischen Videospiels. Doch werfe ich einen tieferen Blick in die Gesteinsschichten von Minecraft: Mir wird deutlich, dass ich aus unterschiedlichen  Perspektiven auf die Bausteine der Minecraftwelt blicken kann und viel mehr Stoffe und Mineralien existieren, die innerhalb Minecraft nicht als „Erz“ definiert sind.

Chemisch betrachtet sind Eisen, Gold, Kupfer und Diamant chemische Elemente. Ein chemisches Element besteht nur aus einer Art Atome. Eisen besteht nur aus Eisenatomen, Gold nur aus Goldatomen, Kupfer nur aus Kupferatomen und Diamant nur aus Kohlenstoffatomen. In Diamant sind die Kohlenstoffatome auf eine bestimmte Art miteinander verknüpft und unterscheidet sich von Graphit, diesem schwarzen Stoff und Bestandteil des Bleistiftes, in dem zwar auch nur Kohlenstoffatome vorliegen, diese aber anders miteinander verbunden sind. Smaragd, Lapislazuli und Steinkohle sind chemische Verbindungen, und bestehen jeweils aus unterschiedlichen Atomen. Smaragd ist ein Silikat, das die Elemente Aluminium und Beryllium enthält. Die chemische Formel Al2Be3[Si6O18] wirkt recht komplex, der Mineralname Beryll kommt von dem Element Beryllium. Lapislazuli ist keine Minecraft Erfindung, sondern bezieht sich auf eine bestimmte Gesteinsform, die aus mehreren Mineralien besteht. Übersetzt aus dem Lateinischen bedeutet Lapislazuli einfach „blauer Stein“ und ist eine Mischung aus Lasurit (ein Silikat), Pyrit (Eisensulfid, auch Katzengold genannt), Calcit (Kalziumkarbonat) und anderen Beimengungen. Steinkohle ist noch komplexer aufgebaut als Lapislazuli. Steinkohle wird auch als Gestein bezeichntet und besteht aus einer Menge des kristallinen, elementaren Kohlenstoffs. Aber auch aus ganz vielen anderen organischen Makromolekülen, Wasser und anderen Mineralien. Würde Steinkohle nur aus Kohlenstoff bestehen, würde keine Asche nach der Verbrennung übrig bleiben.

Geologisch betrachtet sind Diamant, Smaragd und Lapislazuli Mineralien, da sie im Gegensatz zu „Gesteinen“ aus einzelnen Elementen oder chemischen Verbindungen bestehen. Weitere Mineralien in der Minecraftwelt sind Sand, Quarz, Feuerstein, Granit und Obsidian.

Das Mineral Obsidian in der realen Welt, Quelle: Wikipedia

Wie realistisch ist Minecraft?

Überraschenderweise erkenne ich einige Aspekte der Mineralogie und Erzbehandlung, die auch in der Realität vorkommen.

Die Geschichte der Herstellung von Metallen aus Erzen ist sehr alt und kann auf ersten Verhüttung von Eisenerz im damaligen Mesopotamien zurückdatiert werden. In der Geschichte der Verhüttung wird prinzipiell immer Metallerz mit Kohle als Reduktionsmittel und Energielieferant in Verbindung gebracht.

chemische Formel der Umwandlung von Eisenerz mit Kohle in elementares Eisen

Erste Hochöfen entstanden 500 v. Chr. Bei Temperaturen von bis zu 1.600 °C wird in einer chemischen Reaktion aus der Eisenverbindung elementares Eisen gewonnen.

Schematische Darstellung eines modernen Hochofens, Quelle: lehrerfreund.de

Moderne Hochöfen wie zum Beispiel der Hochofen 5 der Dillinger Hütte können so bis zu 7.000 Tonnen Roheisen pro Tag produzieren, die größten bis zu 12.000 Tonnen Roheisen pro Tag. In Minecraft ist das sehr verkürzt dargestellt. Die Spielfigur baut Eisenerz ab und erhält direkt vor sich einen Block Roheisen. Der chemische Reaktionsprozess ist ausgelassen.

moderner Hochofen, Quelle: Wikiwand

In einem weiteren Schritt kann die Spielfigur das Roheisen erhitzen und in Eisenbarren formen, die wiederum für unterschiedliche Folgeprodukte wie Eisengitter, Schienen oder eine Eisenspitzhacken verwendet werden können. Das ist wieder realistischer, beschreibt es doch bekannte Grundlagen des Schmiedens. Auch unrealistisch ist die Gewinnung von Smaragd aus Smaragderz oder das Schmieden eines Diamantschwertes.

Aus pädagogischer und naturwissenschaftlicher Sicht ist es schade, dass hier verpasst wurde, einfache chemische Verarbeitungsschritte wie zum Beispiel die Metallgewinnung aus Erzen korrekt wiederzugeben. Programmiertechnisch wäre das sicherlich möglich gewesen.

Aber natürlich hat Minecraft nicht den Anspruch, naturwissenschaftliche Phänomene korrekt wieder zu geben. Ich selber spiele Minecraft unheimlich gerne, weil es meine Kreativität anregt und mir einfach Spaß macht. Und wenn einer von euch Lesenden durch meinen Blogbeitrag einen anderen Blick auf Minecraft hat und sogar das ein oder andere auf Wikipedia oder meinem kleinen Beitrag zur Mineralien oder Salz weiterliest, dann freue ich mich.

Mit steinigen Grüßen besonders an meinen Mitreisenden im ICE Maxime,

Hendrik Fischer

P.S. Es gibt sogar eine Weiterentwicklung, die die Minecraft Welt auf ein anderes chemisches Level bringen möchte. Die Erweiterung „Minecraft Education Edition“ – diese kenne ich noch nicht, bin aber sehr gespannt und werde in meinem zweiten Teil zu „Minecraft und Chemie“ dazu etwas schreiben. Am besten abonniert ihr meine Seite, um auf das und andere Beiträge mit zu bekommen.

Begabtenförderung im Rheinisch Bergischen Kreis – Chemie Experimente für Grundschüler*Innen

Von März bis Juni 2022 habe ich mit Unterstützung des Young-Spirit Programms der Evonik die Begabtenförderung des Rheinisch Bergischen Kreises gestaltet. Mit Chemie-Experimenten – von den Kindern selbst durchgeführt.

Regelmäßig Freitags von 14:00 bis 15:30 saßen 15 Schüler*Innen, der Sachkundelehrer der Grundschule Witzhelden Herr Steinigeweg und ich vor dem Rechner. Ziel war es, den Schüler*Innen Grundkonzepte der Chemie und selbstständige Durchführung von Experimenten zu vermitteln.

Zahlreiche Themen wurden behandelt: Die Verbrennung als chemische Reaktion, die unterschiedlichen Zustände fest, flüssig, gasförmig, vereinfachte Formelsprache („was bedeutet CO2“), die Dichte und das Volumen, Zusammensetzung der Luft, Nicht-Newtonsche Flüssigkeiten, Säuren und Basen, pH-Wert und Farben. Dazu haben die Schüler*Innen noch weitere Aufgaben im Selbstlernmodus durchgeführt. Die Experimente waren während der Online-Zeiten so zu gestalten, dass kein Risiko bestand. Also habe ich die Experimente so designt, dass die Effekte mit einfachen Hausmitteln und Bastelzubehör zu erreichen waren. Und meiner Einschätzung nach hat das der Motivation der Schüler*Innen keinen Abbruch getan Im Gegenteil, bei meiner wöchentlichen Abfrage „Wie es denn gewesen sei“ habe ich durchweg die Daumen hoch gezeigt bekommen.

Am 18.6. war es dann aber so weit: Wir alle kamen in der Grundschule für einen gesamten Vormittag zusammen. Und haben 4,5 Stunden an diesem heißen Tag nur mit Experimenten verbracht – mit „richtigen“ Chemikalien. Richtig in Anführungszeichen, denn dass Chemie überall ist, haben die Schüler*Innen schon ganz am Anfang verstanden. Glasgeräte wurden ausgepackt und bestaunt, es wurde bunt, es blubberte.

Eine Titrationskurve wurde erstellt, Lavalampen gebaut, bunte Flammen erzeugt und Flüssigkeiten voneinander getrennt. Richtig begeistert war ich, mit wieviel Aufwand und Wissen die Abschlusspräsentationen waren, die die Schüler*Innen an dem Tag vorstellten.

Kleine Highlights waren sicherlich die Brause-Raketen und die Knallgas-Reaktion, die uns alle aufgeweckt hat. Die Begeisterung war den Schüler*Innen und dem Lehrer Steinigeweg anzumerken. Und ich wurde immer zufriedener.

Denn mir wurde bewusst, wie wissbegierig die Schüler*Innen waren und wie sehr daran interessiert, die „richtige“ Chemie zu erlernen. Die Skepsis vor der giftigen und bösen Chemie am Anfang der Serie ist schnell einer realistischen Sichtweise auf die Gefahren aber auch Chancen der Chemie gewichen. Und am Ende hatten alle einfach Spaß.

Und damit war auch eines meiner Hauptziele meines Engagement erreicht: Interesse an der Chemie zu wecken. An dieser Wissenschaft und Industrie, die so stark in der Kritik steht, aber so wichtig für das moderne Leben in unserer Gesellschaft ist. Aus diesem Grund: Immer wieder!

Euer Hendrik Fischer

Bilder: Pia Rodermond, Bilder nicht ohne weitere Einwilligung der Bildrechte innehabende Person erlaubt.

Kunst und Chemie

Kunst und Chemie – geht das zusammen? Und ob, wie ein Kindergeburtstag in Witzhelden zeigt…

Als ich Ende 2021 zum ersten Mal von der Witzheldener Künstlerin und Kunsttherapeutin Lilo Krüger auf meine beginnenden Chemie-Edutainment Angebote angesprochen wurde, hätte ich nicht gedacht, dass ich schon knapp sieben Monate später mit ihr und sieben 10-12 jährigen Mädchen in einer Halle stehen und einen Kindergeburtstag zum Thema Kunst und Chemie gestalten würde.

Kindergeburtstag „Kunst und Chemie“ im Juni 2022. Bild: Pia Rodermond

Doch mir war klar, dass Kunst und Chemie super zusammen passen kann. In der Chemie gibt es viele Reaktionen und Methoden, bei denen Farbe eine Rolle spielen: Bei dem Verfahren der Chromatographie werden Substanzmischungen aufgetrennt und zum Teil farblich sichtbar gemacht. Sogenannte pH-Indikatoren zeigen durch einen Farbwechsel an, ob eine chemische Verbindung eine Säure oder eine Base ist, und wie stark diese ist. Metalle erzeugen spezifische Färbungen einer Flamme und können dadurch analytisch bestimmt werden.

Grüne Flammfärbung durch eine Kupferverbindung, Bild: Pia Rodermond

Die Farbe selbst ist schon sehr lange Teil der Erfahrungswelt des Menschen. Bereits vor 30.000 Jahren wurden Höhlenmalereien mit Hilfe einer Mischung aus Erde, farbgebenden Mineralien sowie Pflanzensäften oder Tierfetten hergestellt. Heute sind Farben zum überwiegenden Teil hochentwickelte industrielle Gemische, die aus organischen oder mineralischen Pigmenten und natürlichen oder synthetischen Trägermaterialien bestehen. Wasserfarben, Acrylfarben, Farben auf Silikonbasis oder Ölfarben… die Vielfalt von Grundbausteinen und Pigmenten ist sehr groß. Dabei machte die beginnende großchemische Produktion seit dem 18. Jahrhundert Farbe endlich stabiler und für viele Menschen erstmalig erschwinglich. Klar, dass ein Teil des Programm auch die Herstellung einer Farbe war.

Herstellung einer Farbe basierend auf Mehl und Lebensmittelfarbe. Bild: Pia Rodermond

Die Teilnehmerinnen waren von den unterschiedlichen chemischen Experimenten sofort begeistert. „Endlich mal etwas selber machen“ – das war mein Eindruck. Etwas Blubbern sehen, etwas bunt Verbrennen sehen und dann auch noch Farbe herstellen. In der letzten Stunde passierte jedoch etwas, was Lilo und ich nicht im Detail geplant hatten: Aus bestimmten chemischen Experimenten und der selbst hergestellten Farbe schufen die Teilnehmerinnen eigene kreative Kompositionen. Das war für mich neben der Begeisterung der Teilnehmerinnen für die Chemie das Schönste an dem Tag: Die Synergie von Kunst und Chemie!

Chromatographie trifft Mehlfarbe und wird Kunst. Bild: Pia Rodermond

Für mich wurde dadurch deutlich, dass das gemeinsam entwickelte Konzept und der Kindergeburtstag ein Erfolg und für alle Beteiligten ein inspirierendes Erlebnis war. Und dafür mache ich das doch. Chemie ist nicht nur wie Kochen, sondern manchmal auch wie Malen.

Bei Chemie immer noch: Bloß nicht den Löffel ablecken. Bild: Pia Rodermond

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Mit bunten Grüßen,

Euer Hendrik Fischer