Wunderkerzen – Chemie, die Augen zum Glitzern bringt

Ihr kennt diesen Moment, oder? Wenn sich die erste Schicht des grauen Stabes an der Kerzenflamme rötlich auflöst, dann in ein weißhelles Britzeln übergeht um dann endlich aus eigener Kraft weiter zu brennen und Funken zu versprühen. Besonders das Knistern und der typische Geruch, lösen bei mir festliche Stimmung aus. Freude und auch ein Gedanke an die Chemie kommen in mir hoch.

Die Geschichte einer grauen Masse

Über den Ursprung der Wunderkerze ist wenig bekannt. Laut Wikipedia kann die Erfindung auf des Griechen Kallinikos von Heliopolis (ca. 670 n. Chr.) zurückgeführt werden. Dieser soll auch der Erfinder des griechischen Feuers sein, das als Kriegswaffe auf See eingesetzt wurde. Dass als Nebenprodukt der damaligen Rüstungsindustrie in Byzanz, dem heutigen Istanbul, auch kleine Wunderkerzen hergestellt wurden, erscheint mir zumindest plausibel, auch wenn ich keine Quellenangaben dazu finden konnte.

Griechisches Feuer im Einsatz (Darstellung aus dem 12. Jahrhundert), Quelle Wikipedia

Sicherlich haben die Wunderkerzen damals anders ausgesehen und auch aus anderen Materialien bestanden als heutzutage moderne Wunderkerzen. Und das liegt an den Zutaten selbst. Dazu benötigen wir jedoch einen Blick in die Chemie der Wunderkerze.

Die Chemie der Wunderkerze

Moderne Wunderkerzen bestehen aus vier unterschiedlichen Komponenten: Aluminiumpulver, Bariumnitrat, Eisenpulver, Stärke. Die Stärke war sicherlich schon im byzantinischen Reich bekannt, auch das Eisen steht schon seit ca. 4.000 – 5.000 Jahren in reiner Form zur Verfügung. Wenn euch die Herstellung von rohen Metallen aus Mineralien interessiert, schaut mal in meinen alten Blog-Beitrag über Minecraft:

https://ichmachchemie.com/2022/07/05/minecraft-und-chemie-teil-1/.

Die Geschichte des Bariumnitrates ist wesentlich jünger und begann sicher erst durch die Arbeiten des italienischen Schumachers und Alchemisten Vincenzo Casciarolo. Die Byzantiner hatte sicherlich noch keine Wunderkerzen mit Bariumnitrat, sondern wahrscheinlicher mit Salpeter. Unter Salpeter werden unterschiedliche Nitrate gefasst, die je nach Herstellung oder Abbauort aus Chilesalpeter (Natriumnitrat), Begalensalpeter/Kalisalpeter (Kaliumnitrat) oder Kalksalpeter/Mauersalpeter (Calciumnitrat) bestand. Salpeter wurde unter anderem aus Guano und anderen Exkrementen von Vögeln und Tieren hergestellt und hat eine lange Historie als Einsatz in Schwarzpulver und in Düngemitteln.

Auch das Aluminiumpulver, in dem Aluminium als gediegenes, reines Metall vorliegt, ist nicht sehr alt. Verbindungen des Aluminiums wie z.B. Alumen (eine Verbindung aus Aluminium und Schwefel) wurden schon von Plinius dem Älteren (23-79 n. Chr.) beschrieben. Die Herstellung des reinen Metalles aus den Salzen gelang erst Sir Humphry Davy im Jahr 1809, bzw. Hans Christian Oersted im Jahr 1925.

Wunderkerzenbasteln in der Lernpraxis Burscheid, Photo: Pia Rodermond/Mondblende

Historische Wunderkerzen wie die des Kallinikos von Heliopolis bestanden also teilweise aus anderen Bausteinen als moderne Wunderkerzen. Doch waren sie sicher ebenso schön, faszinierend und gefährlich für die Menschen, wie sie es heute für mich sind. Denn das chemische Grundprinzip ist das Gleiche: Das Nitrat liefert Sauerstoff zur Verbrennung des Aluminiums und des Eisens.

Das ist eine sogenannte Redox-Reaktion, bei der ein Stoff (Aluminium oder Eisen) oxidiert wird, d.h. Sauerstoff aufnimmt und der andere Stoff (das Nitrat) den Sauerstoff zur Reaktion liefert. Diese chemische Reaktion wird so heiß, dass nicht verbranntes Eisenpulver zu glühen beginnt und ein Funkenflug entsteht. Auch sorgt die entstehende Hitze dafür, dass die Reaktion solange von alleine abläuft, bis die Masse der Wunderkerze aufgebraucht ist.

Die Herstellung der Wunderkerzen und Gesetzliches

Wunderkerzen und andere Feuerwerkskörper wie z.B. Knallerbsen, Knallbonbons, Tischfeuerwerk oder Party Knaller fallen unter die Kategorie I / Klasse I der EG-Pyro-technik Richtlinie 2007/23/EG, bzw. Kategorie F1 nach dem deutschen Sprengstoff-Gesetz. Die Klasse 1 oder auch Kleinstfeuerwerk bzw. Jugendfeuerwerk (früher Kinderfeuerwerk) darf von jeder Person, die älter als 12 Jahre ist, erworben und das ganze Jahr über verwendet werden.  Die Herstellung von Wunderkerzen kann mit etwas Geschick und unter Anleitung einer erwachsenen Person auch zu Hause erfolgen. Dies habe ich selbst schon mit meinen Kinder und in meinem Kurs in der Lernpraxis Burscheid vor einigen Tagen durchgeführt.

Basteln von Wunderkerzen in Küche.

Dabei habe ich mich an die Anleitung von Peter Wich (https://experimentalchemie.de/versuch-029.htm) gehalten, der auf seiner Homepage viele tolle Experimente für Schule, Uni und zu Showzwecken zusammengestellt hat. Statt Bariumnitrat habe ich Kaliumnitrat aus dem Lebensmittelgroßhandel verwendet. Wichtig war ein langes Trocknen und ein nicht zu dickes Auftragen der Wunderkerzen-Masse.

Bedeutung der Wunderkerze und des Feuerwerks

Feuerwerk wird kontrovers diskutiert.

Es gibt viel Begeisterung für dieses von Menschen gemachte Himmelsspektakel, nicht nur bei denjenigen, die jährlich vor den Geschäften Schlange stehen, um noch die letzten Boxen und Pakete zu erhaschen. Auch dem Philosophen Theodor Adorno wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht.“ Letzteres ist nicht als Zitat gesichert, doch gibt es Verweise auf das Feuerwerk in seiner Schrift „Ästhetische Theorie“ (https://www.theomag.de/02/pb1.htm).

Es gibt viel Kritik an Feuerwerk. Insbesondere Tierbesitzer und Naturschützer kritisieren Feuerwerk als eine schädliche Lärm- und Feinstaubemission, die es durch Reduzierung, freiwilliges Nichtverwenden oder Verbote teilweise oder ganz zu vermeiden gilt. Auch erscheint es Menschen als zynisch, in Zeiten vieler bewaffneter Kriege weltweit auch noch freiwillig die Produkte zu verwenden und zu bewundern, die historisch als Nebenprodukt der Kriegsindustrie angefallen sind.

Klassisches Feuerwerk, Quelle pixabay

Wie bei vielen gesellschaftlichen Fragen halte ich es für sinnvoll, sich vielseitig zu informieren und sich erst mal Zahlen, Daten und Fakten anzueignen. Das Umweltbundesamt publiziert regelmäßig zum Thema Feinstaub und Feuerwerk (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/2050-tonnen-feinstaub-durch-feuerwerk-pro-jahr), der Branchenverband VPI (Verband der pyrotechnischen Industrie) hat zwei Broschüren zu „Fakten statt Fiktion: Informationen zum Feuerwerk“ herausgegeben (https://www.feuerwerk-vpi.de/).

Mir war der chemische Blick auf das Feuerwerk und die Wunderkerzen besonders wichtig. In der Wunderkerze wird die Kraft einer chemischen Reaktion deutlich. Ich erkenne die Stoffumwandlung, mir wird die Umwandlung von Energien bewusst. Und mir wird wieder klar, wie sehr ein chemisches Produkt Ergebnis einer langen Entwicklung ist, sowohl im Hinblick auf die Historie der industriellen Entwicklung als auch die Entwicklung in der wissenschaftlichen Erkenntnistheorie. Heute wissen wir, wie und warum Dinge in der Natur und im Reaktionsglas passieren. Und das stimmt mich beim Britzeln einer Wunderkerze doch sehr optimistisch für das Neue Jahr.

Leuchtende Augen bei meinem Chemie-Edutainment, Photo: Pia Rodermond / Mondblende

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen guten Übergang und viel Freude an der Chemie im Jahr 2024.

Mit glitzernden Grüßen,

Hendrik Fischer

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